Interview: Technologietransfer und Exportkontrolle
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Interview: Technologietransfer und Exportkontrolle

Das Wissen, wie kritische Waren entwickelt werden können, unterliegt der Exportkontrolle. Dr. Ulrike Jasper liefert Antworten zum Thema Technologietransfer.

Im Fokus: Kontrollierter Technologietransfer

Am 10. Oktober 2021 starb Abdul Qadeer Khan, der als Vater des pakistanischen Atomprogramms in die Geschichte eingegangen ist. Er studierte in Deutschland, in den Niederlanden und Belgien. Im Physical Dynamics Research Laboratory (FDO) hatte er Zugang zu Zentrifugen-Entwürfen, die ihm später den Aufbau einer pakistanischen Urananreicherung ermöglichten. Wie der Technologietransfer in die Systematik der Exportkontrolle einzuordnen ist, erläutert Dr. Ulrike Jasper in diesem Interview – mit Einblicken in die Praxis, Beispielen und weiterführenden Referenzen.

Technologietransfer: Fragen und Antworten

War Abdul Khan der Auslöser, Technologietransfer in der Exportkontrolle zu etablieren?

Dr. Ulrike Jasper: Der Fall Khan aber auch Rabta in Lybien zeigen, dass nicht nur bei der Ausfuhr kritischer Waren ein Kontrollinteresse besteht, sondern auch beim Export sensibler Technologie. Wer das grundlegende Wissen mitnimmt, kann dann durch Zukauf der notwendigen Bauteile kritische Waren produzieren.

Inwiefern schlägt sich das in der Exportkontrolle nieder?

Dr. Ulrike Jasper: Der Güterbegriff der Exportkontrolle umfasst, anders als im Zollrecht, nicht nur Waren, also körperliche Gegenstände, sondern auch die im Zusammenhang mit den Waren entwickelte Software und Technologie. Damit wird diesen Entwicklungen Rechnung getragen.

Gibt es dafür ein Beispiel?

Dr. Ulrike Jasper: Schauen wir konkret in die Dual-Use-Güterliste der EU: Da finden wir beispielsweise unter 3A225 Frequenzumrichter mit bestimmten Eigenschaften. Unter dem Buchstaben A werden in der Dual-Use-Gutnummer Waren in Form von Systemen, Ausrüstungen und Bestandteilen gelistet. Unter dem Buchstaben D findet sich Software für die gelisteten Waren. Dementsprechend ist unter 3D225 die zur Leistungssteigerung der Frequenzumwandler besonders entwickelte Software gelistet und unter der 3E225 die zugehörige Technologie in Form von Lizenzschlüsseln und ähnlichem.

Zurück zum Technologietransfer – was ist unter diesem Begriff zu verstehen?

Dr. Ulrike Jasper: In den Begriffsbestimmungen zu Anhang 1 der EU-Dual-Use VO 2021/821 wird Technologie als “spezifisch technisches Wissen, das für die Entwicklung, Herstellung oder Verwendung eines Produkts nötig ist” definiert. Dieses Wissen wird durch “technische Unterlagen” oder “technische Unterstützung” weitergegeben.

Was meint der Gesetzgeber mit “technischer Unterstützung”?

Dr. Ulrike Jasper: Technische Unterstützung wird in Art 2 Nr. 9 EU-Dual-Use-VO als „jede technische Hilfe im Zusammenhang mit Reparaturen, Entwicklung, Herstellung, Montage, Erprobung, Wartung oder jeder anderen technischen Dienstleistung” definiert. Sie kann in Form von Anleitung, Beratung, Ausbildung, Weitergabe von praktischen Kenntnissen / Fertigkeiten oder in Form von Beratungsdiensten erfolgen und schließt auch Unterstützung mittels elektronischer Träger, telefonische Unterstützung sowie jede Form von Unterstützung in verbaler Form ein.

Was passiert eigentlich beim Versand einer E-Mail mit sensiblem Inhalt? Wann liegt eine Genehmigungspflicht vor?

Dr. Ulrike Jasper: Ein Technologietransfer kann sowohl in physischer als auch in elektronischer Form erfolgen. Um einen physischen Technologietransfer handelt es sich dann, wenn das technische Wissen zu Papier gebracht wurde und in dieser Form ins Drittland verschickt wird. Bei dem in Frage stehenden E-Mailversand liegt ein Technologietransfer in elektronischer Form vor. Auch elektronische Ausfuhren sind vom Ausfuhrbegriff in der EU-Dual-Use-VO erfasst. 

Danach liegt ein Technologietransfer bereits mit dem Absenden der E-Mail an einen Empfänger im Ausland vor. Vor diesem Hintergrund ist es elementar, die Genehmigungspflichten für den Technologietransfer in die Systematik der Exportkontrolle einzuordnen. Die allgemeinen Regelungen der Exportkontrolle sehen eine Genehmigungspflicht grundsätzlich nur für gelistete Güter vor. Technologie ist also nur im Zusammenhang mit gelisteten Waren erfasst. Unternehmen, die keine gelisteten Waren in ihrem Warenstamm haben, werden in der Regel auch keine gelistete Technologie haben, die im E-Mailverkehr einer Genehmigungspflicht unterliegt.

Dr. Ulrike Jasper, AEB SE
Dr. Ulrike Jasper, AEB SE

Dr. Ulrike Jasper: Mehr über die Expertin

Dr. Ulrike Jasper ist Juristin und betreut seit über 10 Jahren das Themengebiet Exportkontroll- und Sanktionsrecht bei der AEB SE. Neben fachlicher Betreuung und Unterstützung der AEB-Kunden bei der Umsetzung exportkontrollrechtlicher Themen im Unternehmen ist Ulrike Jasper als Referentin bei verschiedenen Weiterbildungsträgern zum europäischen und amerikanischen Exportkontroll- und Sanktionsrecht tätig. Zu diesen Themen hat sie bereits zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften und im AEB-Online-Magazin veröffentlicht.

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