Hilfestellung zur No Russia Clause: Risiken erkennen und minimieren
Wie können Sie die Gefahr bannen, dass Ihre Produkte über Umwege nach Russland kommen? Wir bieten Erklärungen und Hilfestellung für die Praxis.
Wie können Sie die Gefahr bannen, dass Ihre Produkte über Umwege nach Russland kommen? Wir bieten Erklärungen und Hilfestellung für die Praxis.
No Russia Clause: Der Status Quo der Herausforderung
Umgehungskanäle russischer Beschaffungsaktivitäten
Tipps zur Prüfung der Embargo-VO 833/2014 gegen Russland
Behördliche Hilfestellungen: Erkennen von Umgehungsrisiken
Kundenbezogene Red Flags
Produktbezogene Red Flags
Geografische und transaktionsbezogene Red Flags
Absicherung gegen Sanktionsumgehung ist Pflicht
No Russia Clause: Gesetzliche Vorgabe und Schwierigkeiten in der Praxis
Hilfestellung für individuelle Absicherungsmaßnahmen zu Sanktionsumgehungen
Der Rückzug vieler europäischer Unternehmen vom russischen Markt hat dazu geführt, dass Russland Wege sucht, um die benötigten Produkte, insbesondere auch für die Kriegswirtschaft, aus der EU zu beschaffen. Die Beschaffungswege sind vielfältig und für Unternehmen in der EU nicht immer einfach zu erkennen.
Aktuelle Analysen der Handels- und Zolldaten zeigen, dass Russland Wege findet, an sanktionierte westliche Produkte zu kommen. Diese tragen dann auch dazu bei, dass die russische Kriegsmaschine am Laufen gehalten werden kann. Nicht selten führen Funde von westlichen Produkten in russischen Kriegswaffen in der Ukraine zu einem großen medialen Aufsehen.
Um die Risiken von Sanktionsumgehungen zu vermeiden, treffen viele Unternehmen umfangreiche Absicherungsmaßnahmen, wie z.B. Nachforschungen zu Geschäftspartnern und Lieferwegen, Vertragsklauseln oder Endverbleibserklärungen.
Neben diesen freiwilligen Sorgfaltsmaßnahmen bestehen auch gesetzliche Vorgaben zur Risikominimierung im Bereich Sanktionsumgehungen. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die sogenannte „No Re-Export to Russia“-Klausel in Artikel 12g der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands. Oft auch kurz genannt: Die „No Russia Clause“.
Nachfolgend finden Sie Beispiele für Warnhinweise auf eine Weiterlieferung nach Russland und wie Sie das Umgehungsrisiko minimieren können, um strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Der Begriff der „Umgehung“ bezieht sich in diesem Beitrag auf alle Lieferungen von sanktionierten Produkten, die über Umwege nach Russland gelangen.
Folgende drei Umgehungskanäle stehen derzeit besonders im Fokus der Exportkontrollbehörden:
Viele europäische Unternehmen erhalten vermehrt Anfragen aus Ländern des eurasischen Raums, wie z.B. Kasachstan. Teilweise kommen die Anfragen von neuen Geschäftspartnern, teilweise sind es aber auch Bestandskunden, die andere Produkte oder größere Mengen anfragen.
Auf den ersten Blick scheinen solche Anfragen interessant zu sein und sind isoliert betrachtet auch genehmigungsfrei möglich. Die standardmäßig durchgeführte Sanktions- und Exportkontrollprüfung ergibt weder Bereitstellungsverbote für den Geschäftspartner noch Beschränkungen in Bezug auf Land, Gut oder Verwendung. Zu einer solchen Prüfung gehört die Beantwortung der folgenden Fragen: Ist der Geschäftspartner gelistet? Ist ein beteiligtes Land sanktioniert? Sind die Güter gelistet? Ist die bekannte Verwendung genehmigungspflichtig?
Doch nach den allgemeinen Vorschriften des Exportkontrollrechts (in der EU gemäß EU-Dual-Use-VO Nr. 2021/821), können auf den zweiten Blick trotz bestehender Genehmigungsfreiheit, weitere Prüfschritte und Sorgfaltsmaßnahmen zur Absicherung von Umgehungsrisiken erforderlich sein. Wie diese konkret auszusehen haben, kann nicht einheitlich für alle Geschäfte beantwortet werden.
Bevor Sie jedoch mit der Implementierung umfangreicher Absicherungsmaßnahmen beginnen, empfiehlt sich der Blick in die aktuelle EU-Embargoverordnung 833/2014 gegen Russland.
Kernfrage der Prüfung ist, ob die mit beispielsweise Kasachstan oder anderen „Drehscheibenländern“ geplanten Geschäfte in den Anwendungsbereich der EU-Sanktionen gegen Russland fallen würden. Neben den sogenannten „Stan Staaten“ gehören dazu beispielsweise auch China, VAE, die Türkei und weitere Länder, die sich den westlichen Sanktionen nicht angeschlossen haben. Ist dies der Fall, sollte das Unternehmen auf Basis der konkreten vorliegenden Informationen zu diesem Geschäft geeignete unternehmensindividuelle Absicherungsmaßnahmen treffen.
Anders sieht es bei Geschäften aus, die nicht in den Anwendungsbereich der EU-Sanktionen gegen Russland fallen. Alle Geschäfte, die auch direkt mit Russland möglich wären, bedürfen aus rechtlicher Sicht keiner Absicherungsmaßnahmen gegen Sanktionsumgehungen gemäß der No Russia Clause.
Für viele Unternehmen ist bereits das Auffinden der aktuellen Version der EU-Embargoverordnung gegen Russland eine Herausforderung. Die Absicherung von Umgehungsrisiken gestaltet sich umso schwieriger. An dieser Stelle hilft das Online-Tool SOLID mit der Verlinkung auf die aktuelle, konsolidierte Embargo-VO 833/2014 gegen Russland kostenlos und mit wenigen Klicks beim ersten Schritt.
Fragestellungen rund um Dual-Use-Güter, Sanktionsrecht, US-Re-Exportkontrollrecht oder Catch-all-Clauses schnell und einfach online prüfen.
Die EU bietet im Hinweisblatt „Guidance for EU operators: Implementing enhanced due diligence to shield against Russia sanctions circumvention“ Übersichten und Beispiele zu Warnhinweisen (Red Flags), die auf Umgehungslieferungen hindeuten können.
Deutschen Unternehmen steht auch das „Hinweispapier zur Unterstützung der Unternehmen beim Umgang mit warenverkehrsbezogenen Sanktionen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK zur Verfügung.
Bei Geschäften mit Gütern, die in den Anwendungsbereich der RU-Embargoverordnung fallen, sind je nach Einzelfall weitere Nachforschungen auszulösen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere der genannten Red Flags kumulativ vorliegen. Die Liste der Warnhinweise ist angesichts der sich laufend erweiternden Beschaffungswege Russlands in einem ständigen Fluss und von daher nicht abschließend.
Nachfolgend werden exemplarisch Risikoindikatoren vorgestellt – gruppiert nach kundenbezogenen, produktbezogenen sowie geografischen und transaktionsbezogenen Aspekten. Weitere Informationen sind in den Hinweisblättern der EU und des BMK zu finden.
Jetzt erfahren welche vier Prüfschritte Sie sicher durch die rechtlichen Vorgaben des Exportkontrollrechts in der EU führen.
Wenn ein Unternehmen Anfragen mit einer oder mehreren Red Flags erhält, müssen in zumutbarem Rahmen weitere Informationen eingeholt werden. Danach müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um Sanktionsumgehungen zu verhindern.
Exportkontrollexperten und Behörden sind sich einig, dass es EU-Unternehmen nicht verhindern können, dass ihre Produkte in Russland landen. Zum Ausdruck kommt dies in Artikel 10 der EU- Embargoverordnung 833/2014 gegen Russland:
„Natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen können für ihre Handlungen nicht haftbar gemacht werden, wenn sie nicht wussten und keinen vernünftigen Grund zu der Annahme hatten, dass sie mit ihrem Handeln gegen die Maßnahmen nach dieser Verordnung verstoßen.“
Art. 10 definiert den Haftungsrahmen: Entscheidend kommt es für Unternehmen darauf an, geeignete und zur Geschäftstätigkeit passende Sorgfaltsmaßnahmen zu ergreifen. Dabei geht um unternehmensindividuelle Maßnahmen in Bezug auf relevante Transaktionen und die ermittelte Umgehungsrisiken. Eine „one-size-fits-all“-Vorlage gibt es dafür nicht.
Die Trade Compliance Management-Lösungen von AEB bieten umfassende Sicherheit für Ihre Exportkontrolle mit stets verfügbarer und aktueller Software für Geschäftspartnerprüfung, Lizenzmanagement, Exportkontrolle und Risikobewertungen. Die Lösungen integrieren sich nahtlos in Ihre ERP- oder CRM-Systeme wie SAP®, Salesforce oder Microsoft Dynamics 365.
Die No Russia Clause in Artikel 12g verpflichtet EU-Unternehmen beim Handel mit bestimmten Gütern zur Aufnahme einer Vertragsklausel mit geeigneten Abhilfemaßnahmen. Den Schwerpunkt legt die EU auf die bereits bei den Red Flags genannten High Priority Güter des Anhang XL der RU-Embargoverordnung.
Gelistet werden hier unter Nennung von Zolltarifnummern die Güter, die in russischen Waffensystemen in der Ukraine gefunden wurden. Bei nahezu allen Ausfuhren dieser Güter aus der EU muss eine den Vorgaben des Art. 12g entsprechende Vertragsklausel aufgenommen werden. Eine Musterklausel findet sich auf Seite 198ff des EU-Dokuments “Consolidated FAQs on the implementation of Council Regulation No 833/2014 and Council Regulation No 269/2014”.
In der Praxis bereitet die Aufnahme dieser Klausel erhebliche Schwierigkeiten, die ganz unterschiedlicher Natur sind. Während die einen sich bereits beim Auffinden des Anhang XL schwertun, kämpfen andere Unternehmen mit vertragsrechtlichen Problemen, wie dem Inhalt und der Platzierung der No Russia Clause.
Das Ziel der Klausel ist es, EU-Lieferungen mit kriegsrelevanten Gütern, die in Russland landen zu minimieren. Dieses Ziel sollte bei allen Schwierigkeiten mit der No Russia Clause im Fokus stehen.
Ausführer von Lieferungen müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen auf eine tatsächliche Bestimmung der sensitiven Verwendung ausschöpfen. Ein bewusstes Sich-Verschließen vor Umständen, die sich den Betroffenen aufdrängen, kann nach Lage des Falles einer Kenntnis gleichgesetzt werden. Eine solche Kenntnis führt in Deutschland in den Straftatbestand des Embargobruchs gemäß § 18 AWG.
Dieses Risiko sollte über verschiedene, kumulativ anzuwendende Absicherungsmaßnahmen minimiert werden. Vertragsklauseln, ähnlich der No Russia Clause, untersagen es Geschäftspartnern vertraglich, die Produkte nach Russland oder zur Verwendung in Russland weiter zu liefern. Möglich und gerne genutzt werden auch Endverbleibserklärungen. Dabei handelt es sich um individuelle Dokumente zwischen zwei Geschäftspartnern, die den Verbleib der Güter, deren Nutzung oder sonstige individuell getroffene Bedingungen fixieren. Das Bundesamt fuer Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bietet dazu ein Formularmuster an.
Die behördlich geforderten unternehmensindividuellen Absicherungsmaßnahmen sind nur möglich, wenn alle Mitarbeitenden, die relevante Informationen erhalten, sensibilisiert sind und entsprechende Handlungsvorgaben haben. An dieser Stelle wird wieder einmal deutlich, dass die Exportkontrolle kein Thema der Exportabteilung ist, sondern insbesondere auch den Vertrieb, die Auftragsabwicklung, die Produktentwicklung und verschiedene weitere Bereiche betrifft.
Ob die betroffenen Unternehmensbereiche händisch auszufüllende Checklisten oder softwaregestützte Fragenkataloge an die Hand bekommen, ist eine individuelle Unternehmensentscheidung. Die AEB-Software Risk Assessment unterstützt über digitale Fragebögen bei der Risikoidentifizierung, zeigt die erforderlichen Abhilfemaßnahmen an und bietet eine lückenlose Dokumentation. Das Haftungsrisiko für strafrechtliche Verstöße wird dadurch erheblich minimiert.