Retouren meistern im E-Commerce-Alltag
Retourenmanagement

Retouren meistern im E-Commerce-Alltag

Retouren gehören mit zum Tagesgeschäft des E-Commerce. Unternehmen sollten mit Retouren rechnen und ihre Organisation entsprechend darauf einstellen.

„Ja, ist denn heut' schon Weihnachten?“ Diese Frage prägte Franz Beckenbauer vor rund 15 Jahren in einem Werbefilm eines Mobilfunkanbieters. Und tatsächlich sind viele Menschen alle Jahre wieder aufs Neue überrascht, dass die Festtage anstehen. Dann heißt es, schnell noch um Geschenke kümmern, am besten Online bestellen – das spart Zeit. Und so bringt das Weihnachtsgeschäft für die Versandhändler jedes Jahr hohe Auftragsspitzen mit sich. Doch mithilfe von IT-Tools und KEP Dienstleistern  schaffen sie es in der Regel, ihre Waren rechtzeitig zum Kunden zu bringen – oftmals auch noch am selben Tag, sofern dies gewünscht ist.

Retouren gehören zum Geschäft

Sind die Festtage vorbei, ist keinesfalls Entspannung angesagt, denn dann kommt für die E-Commerce-Unternehmen quasi die nachweihnachtliche Bescherung: Verbraucher senden in Unmengen Waren zurück, weil sie nicht passen oder gefallen. Für sie gehört die einfache Rückgabe zum Service dazu. „Früher haben Onlinehändler alles daran gesetzt, dass der Kunde möglichst nicht retourniert“, erläutert Bernd Kratz, Geschäftsführer von EMA – Executive Management Advisors aus Fichtelberg.

Die Überlegung dahinter: Je schwerer es ist, Waren zurückzusenden, desto geringer die Anzahl an Retouren und die Kosten für deren Abwicklung. Denn im Durchschnitt fallen pro retourniertem Artikel Kosten von bis zu 10 Euro an, so ein Ergebnis der EHI-Studie „Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2015“. Doch diese Denke greift zu kurz: „E-Commerce funktioniert ohne Retouren nicht“, sagt Kratz. „Sie gehören dazu wie das Amen in der Kirche.“ Unternehmen sollten daher zwar versuchen, die Retourenquote so gering wie möglich zu halten. 

„E-Commerce funktioniert ohne Retouren nicht.“

Bernd Kratz,

Executive Management
Advisors

Hier sehen sie laut der EHI-Untersuchung vor allem detaillierte Produktinformationen auf der Internetseite, Kontaktmöglichkeiten für persönliche Beratung und einen schnellen Versand als geeignete Maßnahmen.

Weiter sollten Unternehmen aber auch mit Retouren planen und ihre Organisation entsprechend darauf einstellen. Je schneller sie diese abwickeln, desto schneller sind sie zurück im Lager oder Versand. Der Vorteil: Weniger gebundenes Kapital und der Händler muss Ware nicht neu ordern. Gerade zum Ende einer Saison können die letzten Bestellungen rein aus Retouren bestehen – etwa bei Textilien.

Retouren besser planen

Um Retouren wieder reibungslos in die eigenen Prozesse zu integrieren, setzen zahlreiche Unternehmen auf ein Online-Retourentool. Beispiel Amazon: Die Kunden des E-Commerce-Unternehmens loggen sich einfach auf dessen Webseite ein, lassen sich ihre Bestellungen anzeigen, wählen die Produkte aus, die sie zurücksenden wollen, tragen den Rücksendegrund ein und drucken ihr Retourenlabel aus. 

„Wir nannten den Prozess customer self service“, sagt Oliver Dahms, der als erster Operations Manager bei Amazon in Deutschland die Idee zur Online-Retourenabwicklung hatte. Der Vorteil für den Kunden: Ein IT-Algorithmus prüft im Hintergrund sein Verhalten, etwa ob er ein treuer Besteller und ehrlicher Retournierer ist und gibt das Okay für die Gutschrift. Der Vorgang kann beispielsweise ausgelöst werden, sobald er das Paket beim KEP-Dienstleister aufgegeben hat, oder spätestens beim Wareneingangsscan im Logistikzentrum. 

Doch das Tool ist genauso nützlich für Amazon selbst. Der Händler bekommt Informationen über Rücksendungen schneller. Denn ab dem Klick des Kunden weiß der Online-Riese, was und wie viel er zurückbekommt – im Schnitt drei oder vier Tage vorher. Damit kann er die Logistik planen, beispielsweise genügend Personal vorhalten oder die Volumina steuern. Im Falle eines Streiks der Mitarbeiter an einem Standort, routet er die Sendungen einfach zu einem anderen Standort um. Er kann mit dem Wissen seine Logistikzentren besser auslasten und Retouren gleich dorthin schicken, wo sie als nächstes im Versand gebraucht werden. Artikel, die sich nicht mehr verkaufen lassen, werden gar nicht mehr angeboten. „So optimiert er gleichzeitig seine Warenströme“, erläutert Dahms, heute Geschäftsführer seines eigenen Logistikunternehmens Dahms Solutions.

So lassen sich Retouren vermeiden
So lassen sich Retouren vermeiden
Grafik: So lassen sich Retouren vermeiden

Herausforderung: Internationale Retouren

Bei Outfittery, einem Shoppingportal für Männer, gehören Retouren zum Alltag. „Viele Männer haben keine Zeit zum Shoppen oder einfach keine Lust, stundenlang durch Kaufhäuser zu schlendern, wollen aber dennoch gut aussehen“, sagt Outfittery-Einkaufsleiter Wolfgang Schmidt-Ulm. Die Lösung: Kunden registrieren sich bei dem Online-Herrenausstatter und beantworten auf dessen Webseite Stil- und Größenfragen. Basierend auf diesen Angaben und je nach Wunsch oder Anlass stellen die Stilexperten von Outfittery verschiedene Outfits zusammen und schicken sie dem Kunden nach Hause. Dort kann er alles in Ruhe anprobieren und behält nur das, was wirklich passt und gefällt. „Die Retourenquote ist also geplant hoch, wir kalkulieren damit jeden Tag“, sagt Petar Kamber, bei Outfittery für Transport und Zoll zuständig. 

Outfittery versendet seine Waren jedoch nicht nur an Männer in Deutschland, sondern europaweit. In der Verzollung stellen Rücksendungen eine besondere Herausforderung dar. Ein professionelles Retourencontrolling kann dabei besonders nützlich sein. „Bei Sendungen in Nicht-EU-Länder wie die Schweiz muss der Artikel für den Zoll immer eindeutig sein“, erläutert Kamber. Er meldet daher die Waren über das IT-Verfahren ATLAS (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zollabwicklungssystem) bei der Behörde an. Darin enthalten ist eine exakte Warenbeschreibung und idealerweise die entsprechende Zolltarifnummer“. Das vereinfacht und beschleunigt die Prozesse. Dem Zoll genügt die Beschreibung „Marco-Polo-Shirt“ in der Regel nicht. 

Zolltarifnummer hat hohe Bedeutung

Das Gleiche gilt natürlich für die Retoure, auch hierfür muss die Zolltarifnummer vorliegen. Kamber: „Bei einer Retoure ist das deshalb so wichtig, weil die Ware schnell – also möglichst ohne Beschau – und vor allem zollfrei über die Grenze soll“, sagt er. Das funktioniert nur, wenn der Zoll erkennt, dass es derselbe Artikel ist, den Outfittery wenige Tage zuvor an seinen Kunden in die Schweiz geschickt hat. Er kann also anhand der Artikelnummern, Beschreibungen und Zolltarifnummer die Daten vergleichen sowie feststellen, dass der Export aus der EU zum Re-Import in die EU wird. Kamber: „Wir müssen dann dafür weder Import-Zölle noch Mehrwertsteuer entrichten.“ 

Outfittery hat seinen Artikeln eindeutig Nummern vergeben, die wiederum einer eindeutigen Bestellung zugeordnet werden. Diese Daten werden in einer Datenbank gesammelt und sind immer abrufbereit, zumal der Händler sie für eine eventuelle Zollprüfung ohnehin vorhalten muss. Sind die Daten als Standard abgelegt, kann Outfittery jederzeit nachvollziehen, welcher Kunde wann welchen Artikel bekommen und wann er ihn zurückgeschickt hat. „Und ich weiß, dass ich Anspruch auf eine zollfreie Wiedereinführung in die EU habe“, sagt Kamber.

Retouren managen: Dienstleister oder Software?

Für die Abwicklung hat der Online-Händler einen Zolldienstleister beauftragt. Ihm schickt Kamber die relevanten Daten wie Materialbeschaffenheit, Gewichte, Ursprungsland, Artikelnummer und Preise. Seine Aufgabe ist es, die Daten zu pflegen. Der Dienstleister wiederum übermittelt sie an den Zoll und zurück an Outfittery. „Die Zollabwicklung geht innerhalb von Minuten vonstatten, weil manuell nichts mehr angefasst werden muss, sprich Boxen geöffnet und geprüft werden“, erläutert er. Um kein eigenes IT-Retourentool implementieren zu müssen, also eine Onlinedatenbank aufzubauen, in der der Endkunde eintragen muss, was er zurückschickt, hat sich Outfittery für den Dienstleister entschieden. 

„Wir müssten dem Kunden ansonsten vertrauen, dass er das richtig macht“, sagt Kamber. Passiert dabei ein Fehler, wird Outfittery als Anmelder zur Verantwortung gezogen und das sei dem Händler zu riskant. Der Schweizer Kunde versendet demnach seine Retoure an die lokale Adresse des Dienstleisters. Die Mitarbeiter scannen das Paket, kontrollieren und erfassen die retournierten Artikel. Sie gleichen sie mit den Import- und Artikelstammdaten ab und leiten sie an das Logistikzentrum von Outfittery im Heimatland weiter. Allerdings ist die Abwicklung über einen Dienstleister oftmals teuer.

Retoure zurück, Abgabe zurück

Ein IT-System, das die Zollabwicklung beim Import und Export automatisiert anstößt und auch die Abgabenrückerstattung von Retouren aus Drittländern managt, kann sich sehr schnell lohnen – je nachdem, wie hoch das Volumen ist. Schließlich können Unternehmen nicht nur Importzölle, sondern auch weitere Abgaben wie Mehrwertsteuer einsparen bzw. zurückerhalten. 

Doch noch ist die Anzahl der Unternehmen überschaubar, die eine entsprechende Lösung im Einsatz haben. Auch die Kosten für ein eigenes Retourentool scheuen die meisten Online-Händler nach Aussagen des Retouren Experten Dahms. „Sie wollen ja ihre Waren verkaufen und denken zunächst gar nicht daran, dass Kunden sie auch zurücksenden könnten“, sagt er. Wer Rücksendungen jedoch als Bestandteil des Geschäftsprozesses akzeptiert, kann die Herausforderungen besser meistern.