Stammdaten-Management: Unsexy, aber lebenswichtig
Stammdatenmanagement führt in der IT-Strategie vieler Unternehmen das Dasein einer grauen Maus. Zu Unrecht.
Stammdatenmanagement führt in der IT-Strategie vieler Unternehmen das Dasein einer grauen Maus. Zu Unrecht.
Es gibt viele Wege, wie sich ein IT-Manager für (noch) höhere Aufgaben empfehlen kann. Die erfolgreiche Einführung eines ERP-Systems etwa oder ein strategisch relevantes Digitalisierungsprojekt. Die Etablierung eines hochqualitativen betrieblichen Stammdatenmanagements gehört eher nicht dazu. Das ist schade. Denn das Stammdatenmanagement liefert einen entscheidenden Wertbeitrag für das Unternehmen. Ohne konsistente Stammdaten fehlt der gesamten digitalen Transformation mit Industrie 4.0, Logistik 4.0 und anderen digitalen Geschäftsmodellen damit ein wichtiges Fundament.
„Digitalisierungsprojekte ohne eine hohe Datenqualität sind zum Scheitern verurteilt“, schreibt das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Lünendonk in der Studie „Revival der Stammdaten – behindert mangelnde Datenqualität die digitale Transformation?“.
Was ist der beste Weg zu einem zielführenden Datenmanagement? Am Anfang steht das Thema Bewusstsein. Klingt naheliegend – und ist es auch. Ohne das Verständnis, welche Rechtsfolgen oder wirtschaftlichen Nachteile sich aus einem unvollständigen Stammdatenmanagement ergeben, ist eine Implementierung entsprechender Prozesse nicht möglich.
Bezogen auf den Außenwirtschaftsbereich hat dieses Verständnis in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Als wesentliche Treiber sind sicherlich die Entwicklungen rund um die Themen Exportkontrolle und Digitalisierung zu sehen. Die Rechtsfolgen aus falsch bzw. nicht klassifizierten Waren können erheblich sein. Daneben müssen durch die verstärkte elektronische Abwicklung von Zoll- bzw. Außenwirtschaftsprozessen (ATLAS, ELAN-K2) Daten durchgängig bzw. zentral verfügbar sein. Gleiches gilt für die Vernetzung von Systemen – zum Beispiel die Koppelung von internen Systemen zwischen Logistik und Außenwirtschaft oder die Anbindung an externe Systeme zwischen Dienstleistern und Verladern.
Zusätzliche, vorgangsbezogene Erfassungen in den jeweiligen Systemen gehören der Vergangenheit an. Mit der Digitalisierung wird die Koppelung von Prozessen vorangetrieben. Damit steigt die Erfordernis, Daten in entsprechender Qualität und Umfang zentral zur Verfügung zu stellen. Beispiel Ausfuhrabwicklung: Bei einem größeren Ausfuhrvolumen streben viele Unternehmen einen hohen Automatisierungsgrad an. Dieser wird nur erreicht, wenn die Ausfuhranmeldung neben dem Zugriff auf die logistischen Daten auch mit entsprechenden Stammdaten automatisiert angereichert wird. Stimmt die Datenqualität, können Ausfuhranmeldungen rein maschinell erstellt werden. Das Ergebnis ist ein deutlicher Effizienz- und Performancevorteil.
Doch welche Daten spielen im Außenwirtschaftsbereich eine Rolle? Nachstehende Auflistung zeigt eine Auswahl an typischen Stammdaten:
Bereits diese Auflistung unterstreicht den Umfang und damit auch die Komplexität von Stammdaten. Für die Unternehmen ist daher ein geeigneter Erfassungs- und Freigabeprozess notwendig, der die unterschiedlichsten Stellen im Unternehmen mit einbezieht. Denn erst nach vollständiger Pflege der Daten können darauf basierend entsprechende Vorgänge und Meldungen ausgelöst werden – zum Beispiel die Erfassung eines Kundenauftrags, die Abgabe einer Zollanmeldung oder Daten für die Intrahandelsstatistik. Eine zentrale Frage bei der Organisation ist dabei: Sollen die Daten eher „zentral“, also durch die Zollabteilung, oder eher „dezentral“, zum Beispiel durch das Produktmanagement oder den Einkauf, eingepflegt werden? Dabei sind zwei Zusammenhänge zu beachten: Je komplexer, desto dezentraler und je größer, desto hybrider.
Zeichnen sich die Produkte durch eine hohe technische Komplexität aus (z. B. komplexe chemische Verbindungen), übernimmt das Produktmanagement zumeist die Tarifierung und Klassifizierung. Bei zugekauften Teilen hilft eine Rücksprache mit dem jeweiligen Lieferanten. Die Zollabteilung hat in diesem Fall eher eine Gesamtverantwortung für die Prozesse und nimmt zusätzliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung wahr. Die operative Verantwortung liegt jedoch an anderer Stelle.
Größere Unternehmen gehen tendenziell dazu über, Stammdaten im Außenwirtschaftsbereich zentral zu pflegen. Auch innerhalb von Konzernstrukturen dominiert eine zentrale Stammdatenpflege bezogen auf die außenwirtschaftsrechtlichen Daten. Oftmals werden zentrale Shared Service Center eingerichtet, die für die außenwirtschaftsrechtlichen Stammdaten zuständig sind.
Die Herausforderung ist nicht zu unterschätzen, da bei bestimmten Stammdaten umfangreiche Kenntnisse lokaler Rechtsgrundlagen erforderlich sein können. So ist ein und derselbe Artikel gemäß Warenverzeichnis bzw. TARIC ggf. anders einzureihen als gemäß der schweizerischen Nomenklatur. Erschwerend kommt hinzu, dass es selbst innerhalb eines Rechtsraumes, beispielsweise der EU, zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen bezüglich Tarifierung kommen kann. Abhilfe schafft in diesem Fall eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA).
Prof. Dr. Helmut Beckmann von der Hochschule Heilbronn beschreibt in der Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik das Stammdatenmanagement als „alle strategischen, organisatorischen, methodischen und technologischen Aktivitäten in Bezug auf die Stammdaten eines Unternehmens.“
Aufgabe des Stammdatenmanagements sei die Sicherstellung der konsistenten, vollständigen, aktuellen, korrekten und qualitativ hochwertigen Stammdaten zur Unterstützung der Leistungsprozesse eines Unternehmens.
Stammdaten grenzt Beckmann von Bewegungsdaten ab. Sie sind wichtige Grunddaten eines Betriebs, die über einen gewissen Zeitraum nicht verändert werden: „Unternehmensleistungen können nicht optimal erbracht werden, wenn die Stammdaten inkonsistent, unvollständig, veraltet, fehlerhaft oder schlicht nicht verfügbar sind.“