Technologietransfer in der Exportkontrolle: Was ist zu beachten
Hilfestellung zu Fragen rund um Technologietransfer in der Exportkontrolle und dem Unterschied zwischen Technologie-Ausfuhr und der Übertragung von Know-How.
Hilfestellung zu Fragen rund um Technologietransfer in der Exportkontrolle und dem Unterschied zwischen Technologie-Ausfuhr und der Übertragung von Know-How.
Fragestellungen rund um Technologietransfer
Rechtliche Grundlage in der EU für zivile Güter
Die Dual-Use-Klassifizierung nach Anhang I EU-Dual-Use-VO
Besonderheiten bei der Dual-Use-Klassifizierung von Technologie
Der Ausfuhrbegriff beim Technologietransfer
Abgrenzung Technologieausfuhr und technische Unterstützung
Genehmigungspflicht bei Erbringung technischer Unterstützung
Mit Technologietransfer in der Praxis umgehen: Fazit
Nach unserem Interview-Beitrag "Technologietransfer und Exportkontrolle" haben uns viele weitere Fragen zum Thema erreicht. Hier drei Beispiele:
Offizielle Unterstützung zum Thema finden Unternehmen in der Empfehlung der Kommission (EU) 2021/1700 vom 15. September 2021 zur Exportkontrollorganisation von Technologietransfer und technischer Unterstützung im Unternehmen (Gesamttext hier in Deutsch und in Englisch).
Der Umgang mit solchen Fragestellungen erfordert ein sehr differenziertes Vorgehen. Zu unterscheiden ist zwischen dem Technologietransfer in Form der Technologie-Ausfuhr und dem Technologietransfer in Form der Übertragung von Know-How. Sowohl die Technologieausfuhr als auch die Erbringung technischer Dienstleistungen im zivilen Bereich sind im Rahmen der Systematik der EU-Dual-Use-VO zu betrachten.
Im Rahmen dieses Beitrags wird der Technologietransfer im Kontext der Exportkontrolle etwas umfassender beleuchtet, um obige (und weitere) Fragen zu beantworten.
Zu beachten: Dieser Artikel geht nicht auf Technologietransfer im Rüstungsbereich ein und wir betrachten hier auch nicht die stets vorrangig geltenden Sanktionsverordnungen der EU.
Rechtliche Grundlage sämtlicher Fragestellungen rund um die Exportkontrolle ziviler Güter in der EU ist die am 9. September 2021 in Kraft getretene Dual-Use-Verordnung (EU) 2021/821. Auch die neue EU-Dual-Use-VO hat in erster Linie die Ausfuhr von Waren im Fokus. Auf Fragen rund um die rasanten Entwicklungen des Technologietransfers in einer digital vernetzten Geschäftswelt bietet die EU-Dual-Use-VO wenig Antworten.
Hauptanwendungsfall der Exportkontrolle ist im Kontext der Dual-Use-Verordnung eine Genehmigungspflicht für Ausfuhren der in Anhang I gelisteten Dual-Use-Güter. Geregelt ist diese Genehmigungspflicht in Art. 3 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO. Ausnahmen von der Genehmigungspflicht gibt es für Dual-Use-Güter nicht. Anhang I der EU-Dual-Use-VO ist eine technische Liste, in der die genehmigungspflichtigen Dual-Use-Güter anhand ihrer spezifischen technischen Parameter beschrieben werden. Alle Güter, die die in den Güterbeschreibungen des Anhang I genannten technischen Spezifikation aufweisen, unterfallen als Dual-Use-Güter der Exportkontrolle.
Der Güterbegriff in der Exportkontrolle umfasst nicht nur Waren, also körperliche Gegenstände, sondern auch die im Zusammenhang mit den Waren entwickelte Software und Technologie. Die Regelungen der EU-Dual-Use-VO sollen verhindern, dass kritische Waren in falschen Händen zur Proliferation von Massenvernichtungswaffen genutzt werden.
Aber nicht nur die Ausfuhr kritischer Waren unterliegt einem Kontrollinteresse, sondern auch der Export proliferationsrelevanter Technologie. Wer das grundlegende Wissen mitnimmt, kann durch Zukauf der notwendigen Bauteile kritische Waren produzieren. Vor diesem Hintergrund erfasst die Dual-Use-Güterliste neben der physischen Ware die dazugehörige Software und Technologie.
Die Beachtung der Genehmigungspflicht aus Art. 3 EU-Dual-Use-VO für gelistete Technologie ist nur dann möglich, wenn im Unternehmen eine Güterklassifizierung nach der Dual-Use-Güterliste des Anhang I vorgenommen wurde. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Listenprüfung die Basis einer zuverlässigen Exportkontrollorganisation im Unternehmen ist.
Die Güterklassifizierung ist eine rein technische Prüfung. Unter der Güterklassifizierung nach der Dual-Use-Güterliste versteht man den Abgleich der technischen Eigenschaften des zu klassifizierenden Guts, mit den in der Güterliste beschriebenen technischen Eigenschaften. In der Praxis wird fälschlicherweise häufig die bekannte Verwendung oder auch lediglich die bloße Verwendungsmöglichkeit in die Güterklassifizierung mit einbezogen.
Dieses Vorgehen führt zu großen Unsicherheiten, da ein und dasselbe Gut je nach Verwendung unterschiedlich klassifiziert wird. Vor diesem Hintergrund muss eine rechtssichere Güterklassifizierung empfänger- und verwendungsunabhängig erfolgen.
Welche Güterlisten sind relevant für die Exportkontrolle? Und was genau ist bei der Klassifizierung von Gütern zu beachten? Hilfestellungen und Praxisbeispiele zum Vorgehen bei der Güterklassifizierung finden Sie in diesem Artikel Schritt für Schritt erklärt:
"Güterlisten und Klassifizierung: Das Herzstück der Exportkontrolle"
Bevor auf die Besonderheiten bei der Klassifizierung von Technologie eingegangen werden kann, bedarf es zunächst der Definition des Begriffs der Technologie im Anwendungsbereich der EU-Dual-Use-VO. In den Begriffsbestimmungen zu Anhang I der EU-Dual-Use VO 2021/821 wird Technologie als "spezifisches technisches Wissen, das für die Entwicklung, Herstellung oder Verwendung eines Produkts nötig ist" definiert.
Diese Begriffsbestimmung ist der grundsätzliche Ausgangspunkt für die Klassifizierung von Dual-Use- Technologie. Danach ist nur Technologie für die Entwicklung, Herstellung oder Verwendung von erfassten Produkten gelistet.
Der Zusammenhang zwischen Ware, Software und Technologie wird in der Praxis oftmals übersehen. Daraus entstehen dann Unsicherheiten und nicht selten eine erhebliche Überregulierung von Technologieausfuhren.
Dass Technologie immer im Zusammenhang mit der gelisteten Ware gesehen werden muss, wird am Aufbau der Dual-Use-Gutnummern deutlich. Die Buchstaben A, B und C (zweite Stelle der Dual-Use-Gut-Nummer) beschreiben Waren. Der Buchstabe D erfasst Software im Zusammenhang mit der gelisteten Ware und der Buchstabe E bezieht sich auf die dazugehörige Technologie.
Listung von Software und Technologie im Zusammenhang mit Frequenzumwandlern unter Dual-Use Gutnummer 3A225 – Auszug wie folgt:
Dieser Systematik folgend haben Unternehmen, die keine Dual-Use-Waren im Portfolio haben grundsätzlich auch keine Dual-Use-Technologie, die bei der Ausfuhr gem. Art. 3 EU-Dual-Use-VO genehmigungspflichtig wäre.
Nicht gelistete Güter sind einer Catch-all-Prüfung nach Art. 4 I EU-Dual-Use-VO bzw. § 9 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) zu unterziehen. Sofern Unsicherheiten bezüglich der Listenerfassung von Technologie bestehen, rät das BAFA (Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) den Unternehmen im Zweifel immer zur Nachfrage.
Neben der Klassifizierung von Technologie nach der Dual-Use-Güterliste des Anhang I ist die Definition des Ausfuhrbegriffs das zweite wesentliche Element beim Technologietransfer.
Der Begriff "Ausfuhr" wird in Art. 2 Nr. 2 EU-Dual-Use-VO definiert. Wesentliches Kennzeichen einer Ausfuhr ist die Lieferung eines Guts über die EU-Außengrenze hinweg. Alle Drittlandslieferungen sind Ausfuhren im Sinne der EU-Dual-Use-VO. Unproblematisch lässt sich die physische Ausfuhr von Technologie feststellen. Findet sich die gelistete Technologie beispielsweise in einem Bauplan, liegt beim Grenzübertritt des Bauplans in ein Drittland eine Ausfuhr vor.
Oftmals wird ein Technologietransfer im Unternehmen nicht in physischer, sondern in elektronischer Form erfolgen. Auch elektronische Ausfuhren sind vom Ausfuhrbegriff in der EU-Dual-Use-VO erfasst. Für das Vorliegen einer Ausfuhr kommt es nicht auf die Art der Übermittlung der Technologie an. Nach Art 2 Nr.2d) EU-Dual-Use-VO ist auch eine Übertragung von Technologie mittels elektronischer Medien wie Telefax, Telefon, elektronischer Post oder sonstiger elektronischer Träger nach einem Bestimmungsziel außerhalb der EU eine Ausfuhr. Dies beinhaltet auch das Bereitstellen von Technologie in elektronischer Form für Personen außerhalb EU.
Wird Dual-Use-Technologie via E-Mail verschickt, liegt eine genehmigungspflichtige Ausfuhr nur vor, wenn der Absender weiß, dass sich der Empfänger der E-Mail außerhalb der EU befindet. Zur Bestimmung, ob eine Ausfuhr beim Versenden einer E-Mail vorliegt, kommt es mithin auf die Kenntnis des Absenders über den tatsächlichen Aufenthaltsort des E-Mail-Empfängers an.
Um das unkontrollierte Abfließen von kritischer Technologie zu verhindern, sollten Unternehmen mittels geeigneter Organisationsmaßnahmen sicherstellen, dass die Dual-Use-Technologie im Unternehmen entsprechend gekennzeichnet und gesichert ist. Weder der Zugriff auf die gelistete Technologie aus dem Drittland noch die Übermittlung in physischer oder elektronischer Form ins Drittland darf ohne vorherige Genehmigung möglich sein.
Was gehört zur Exportkontrolle? Was ist zu tun bei der Sanktionslistenprüfung, dem US Re-Exportkontrollrecht, und der Dual-Use-Verordnung? Diese Antworten und viele mehr gibt's in unseren AEB Trade Compliance Management Seminaren.
Nach den Begriffsbestimmungen des Anhang I EU-Dual-Use-VO muss das als Technologie definierte spezifische technische Wissen in "technischen Unterlagen" oder "technischer Unterstützung" verkörpert sein. In den Anmerkungen dazu finden sich mit Blaupausen, Plänen, Modellen etc. Beispiele für technische Unterlagen. Schulungen, Unterweisungen, Arbeitshilfen etc. werden beispielhaft als technische Unterstützung genannt.
Der Technologietransfer umfasst danach sowohl die Ausfuhr von Technologie als auch die Übertragung von Know-How. Bei den Anforderungen an die Genehmigungspflichten ist zwischen dem Technologietransfer in Form der Technologie-Ausfuhr und dem in Form von technischen Dienstleistungen strikt zu unterscheiden.
Die technische Unterstützung im Anwendungsbereich der EU-Dual-Use VO wird in Art 2 Nr. 9 als "jede technische Hilfe im Zusammenhang mit Reparaturen, Entwicklung, Herstellung, Montage, Erprobung, Wartung oder jeder anderen technischen Dienstleistung" definiert. Sie kann in Form von Anleitung, Beratung, Ausbildung, Weitergabe von praktischen Kenntnissen / Fertigkeiten oder in Form von Beratungsdiensten erfolgen und schließt auch Unterstützung mittels elektronischer Träger, telefonische Unterstützung sowie jede Form von Unterstützung in verbaler Form ein.
Genehmigungspflichtig ist die Erbringung technischer Unterstützung gem. Art 8 Abs. 1 bzw. 2 EU-Dual-Use-VO nur dann, wenn die technische Unterstützung im Zusammenhang mit Dual-Use-Gütern des Anhang I erfolgt und der Erbringer von der zuständigen Behörde darüber unterrichtet wurde oder weiß, dass die betreffenden Güter ganz oder teilweise für einen der in Art. 4 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO genannten Verwendungszwecke bestimmt sind oder bestimmt sein können.
Anknüpfungspunkt der Genehmigungspflicht einer technischen Dienstleistung ist nicht die in Art. 2 Nr. 2 EU-Dual-Use-VO definierte Ausfuhr, sondern die Erbringung der technischen Unterstützung. Art. 2 Nr. 10 Dual-Use-VO legt den Erbringungsort, das ist der Ort, an dem der Leistungserfolg der technischen Unterstützung eintritt, sowie den Adressaten genehmigungspflichtiger technischer Unterstützung fest.
Nach Art. 2 Nr. 10 EU-Dual-Use-VO ist der "Erbringer der technischen Unterstützung" jede natürliche oder juristische Person,
Ein in Deutschland ansässiger Servicemitarbeiter unterstützt per Fernwartung aus Deutschland bei der Reparatur einer gelisteten Fräsmaschine in Südafrika. Eine kritische Verwendung der Fräsmaschine i.S. des Art. 4 I EU-Dual-Use-VO ist weder bekannt noch liegt eine Unterrichtung durch das BAFA darüber vor.
Die mittels Fernwartung durchgeführte Reparatur der Fräsmaschine ist die Erbringung einer technischen Unterstützung in Bezug auf ein gelistetes Dual-Use-Gut.
Da weder eine Unterrichtung durch das BAFA noch die Kenntnis im Unternehmen darüber vorliegt, dass die gelistete Fräsmaschine für einen der in Art. 4 Abs. 1 EU-Dual-Use-VO genannten Verwendungszwecke bestimmt ist oder bestimmt sein kann, ist die Erbringung der technischen Unterstützung nicht genehmigungspflichtig nach Art. 8 Abs.1 oder 2 EU-Dual-Use-VO.
Art. 4 Abs. 1 der neuen Dual-Use-VO umfasst die Verwendung im Zusammenhang mit ABC-Waffen inkl. Trägerraketen (Art 4 Ia), die militärische Endverwendung im Waffenembargoland (Art. 4 Ib) sowie die Verwendung als Bestandteil oder Komponente eines zuvor illegal ausgeführten Rüstungsguts (Art. 4 Ic).
Ähnlich wie in anderen Bereichen des Exportkontrollrechts hat sich rund um den Technologietransfer ein Halbwissen gebildet, das diesen als kaum bewältigbare Aufgabe erscheinen lässt. Wie so oft bei exportkontrollrechtlichen Fragestellungen erfordert auch der Umgang mit Technologie ein grundlegendes Verständnis der rechtlichen Grundlagen und der Zielrichtung des Exportkontrollrechts.
Das Herzstück der Exportkontrollorganisation im Unternehmen ist sowohl für Waren als auch für Technologie die Güterklassifizierung nach Anhang I der EU-Dual-Use-VO. Nur die Unternehmen, die ihren Warenstamm nach der Dual-Use-Güterliste klassifiziert und ihre Stammdaten gepflegt haben, sind in der Lage die Genehmigungspflichten des Exportkontrollrechts zu beachten.
Neben der Güterklassifizierung ist für die Beurteilung der unterschiedlichen Fragestellungen im Umgang mit Technologie ein differenziertes, auf den rechtlichen Grundlagen der EU-Dual-Use-VO basiertes Vorgehen unumgänglich. Unternehmen, die sich auf diese Weise dem Technologietransfer nähern, werden an der ein oder anderen Stelle überrascht sein und feststellen, dass auch der Technologietransfer mittels geeigneter Organisationsmaßnahmen im Unternehmen rechtssicher geregelt werden kann.
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